Stretching im Yoga

„Nachgespürt“ – Gedanken zum Yogaunterricht von Susanne

Stretching im Yoga

Neulich ist es mir wieder passiert. Ich hatte Lust, eine Online-Yoga-Stunde mitzumachen, in der recht anspruchsvolle Yoga-Asanas statisch über eine längere Zeit gehalten wurden. Der dadurch erzeugte Dehneffekt fühlte sich während des Übens wohlig an, ich spürte mich und es tat für den Moment gut. Der Katzenjammer kam später und äußerte sich durch Rückenschmerzen und ein Gefühl der Dysbalance im Körper. Das intensive Dehnen tut mir nicht gut, das weiß ich.

Leider gehört intensives Stretching in vielen Yogastunden dazu. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Yogalehrende, die eine von der Natur gegebene Überbeweglichkeit mitbringen, sich in diesen Dehnungen wohl fühlen und darin glänzen. Umgekehrt kenne ich Yoga-Übende, die frustriert von Stunden berichten, in denen „alle anderen“ zwischen ihren Fersen den Oberkörper nach hinten auf den Boden ablegen konnten, nur sie seien noch nicht so weit. Doch welcher Nutzen steckt in solch einem Asana und warum üben wir eigentlich Yoga?

Das Wichtigste vorab: In Asanas, die ein starkes Dehnen verursachen, steckt ein hohes gesundheitsschädigendes Potential. Davon betroffen sind besonders Wirbelgelenke im Nackenbereich und unteren Rücken sowie Schulter-, Knie- und die Iliosakralgelenke. Und gut zu wissen: Die Dehnfähigkeit eines jeden einzelnen wird von seiner genetischen Disposition mitbestimmt. Sich mit andern zu vergleichen, ist hier, wie so oft, also fehl am Platz.

Die eben genannte Rückwärtsbewegung belebt und erwärmt die gedehnte Muskulatur und entspannt sie dadurch kurzfristig. Dieses geschieht allerdings nur durch die erzeugte Gegenspannung des Muskels, die er zu seinem Schutz aufbaut. Die Muskulatur fühlt sich kurzfristig entspannt an und erzeugt daher dieses wohlige Gefühl. Leider hält es nicht lange an und sorgt mitnichten dafür, dass sich Muskeln dauerhaft dehnen. Dieses ist rein vom Aufbau des Muskels her nicht möglich. Bei jeder Dehnung werden die Molekülketten der kleinsten Einheit einer Muskelfaser (Sarkomer) auseinandergezogen, aber behalten dabei ihre Länge. Nach der Dehnung falten sich die Molekülfäden wieder zurück. Auch durch intensives Dehnen lässt sich ein Sarkomer und damit ein Muskel nicht verlängern.

Wieso haben wir dann das Gefühl, dass wir durch Yogapraxis dennoch biegsamer, gelenkiger werden? Die Antwort liegt in der persönlichen Empfindung, also im Geist. Bei regelmäßiger Dehnung einer Muskelpartie tolerieren wir dort eine größere Dehnungsspannung und fühlen uns daher beweglicher.

Die Risiken sind dennoch nicht zu unterschätzen, denn durch intensives Dehnen kann der Muskel tatsächlich eher fester werden und an Elastizität verlieren. Chronische Verspannung und muskuläre Dysbalancen lassen sich durch Dehnungen allein nicht beseitigen. Besser hilft hier gezielte Muskelaktivierung und ein gut durchdachtes ganzheitliches Bewegungstraining.

Umfangreiche Studien beweisen außerdem: Dehnübungen helfen weder gegen Muskelkater noch können sie das Verletzungsrisiko reduzieren. Was die meisten Menschen brauchen ist mehr allgemeine Mobilität jedoch keine größere Flexibilität.

Auf meine Eingangsfrage zurückkommend, möchte ich hier nochmals betonen, dass das Ziel des Yoga niemals eine große körperliche Flexibilität war. Ein gesunder Körper mit gut organisierter Muskelstruktur, elastischem Fasziengewebe, ein gesunder Stoffwechsel in Muskeln und Gelenken, all das hilft uns dabei, im aufrechten Sitz den Geist ruhig werden zu lassen und im Zustand der Meditation uns wieder mit der Einheit zu verbinden.

 

Ausführliche Informationen zu diesem Thema findet ihr in der Zeitschrift VIVEKA, Ausgabe Nr. 55. Unter folgendem Link findet sich ebenfalls ein interessanter Artikel, der in leicht verständlicher Sprache weiter zur Aufklärung beiträgt http://www.fitnesswarrior.de/dehnen-sinnlos-wann-richtiger-zeitpunkt/